Freitag, 21. September 2007
DER CELEBRITY-STATUS
Mein Wohnheim befindet sich etwas außerhalb. Allerdings kann man dieses „Außerhalb“ nicht mit einem Deutschen „Außerhalb“ vergleichen. Man verlässt das Gebäude und kann in 30 Metern in das erste Restaurant einkehren. Es gibt allein in der direkten Umgebung drei seven-eleven Geschäfte, welche rund um die Uhr geöffnet sind und, für den der die Kette nicht kennen sollte, kleinen Supermärkten entsprechen. Alles ist beschaffbar. Wenn man auch für einen Supermarkt mit ordentlichen Ausmaßen oder den Fruit-Market etwas laufen muss.

Der Stadtteil, dem das hier alles zugerechnet wird ist Gueishan. Dieser hat ca. 70.000 Einwohner. Fährt man dann mit dem Bus (ein wirklich altes, erschreckend spartanisches Gefährt) ins Zentrum von Taoyuan (Etwa 10-20 Minuten fahrt. Entsprechend des Verkehrsaufkommens.) ändert sich eigentlich nicht die Aufmachung, sondern nur die Anzahl und vor allem die Frequentierung der Geschäfte. Klar, gibt es da Läden die es in Gueishan nicht gibt, aber es gibt ebenfalls in weiten Teilen keinen Bürgersteig oder sonstige, für uns „normale“, Charakteristika eines Stadtbildes. Ach, Taoyuan, was sich jetzt auch etwas provinziell anhören mag, hat knapp 400.000 Einwohner!

Ein Paradies der Kontroverse! Einerseits die unzähligen Garküchen und deren widerlicher Tofugeruch (soll aber, traut man den Einheimischen, „voll gut“ schmecken…), zum anderen 12-stöckige Department Stores, in denen man über Chanel und Hugo Boss alles bekommt, was man bekommen will. Hier sieht es mit den Preisen dann allerdings auch anders aus. Oder besser: nicht anders. Denn dort ist man, preislich gesehen, fast auf deutschem Niveau!

Aber genug der Tatsache, dass man hier neben unzähligen Quantitäten an Motorrollern und verbeulten Schrottkarren (ugs. für Automobile) auch neuste Lexus Modelle, 7er BMW und neuste S-Klassen, in nicht geringer Anzahl, antrifft. Diese Enklave der Gegensätze, welche Reich und Arm vereint, was, nebenbei bemerkt, mit einer unbeschreiblichen Selbstverständlichkeit geschieht. Dieses urban-kleinstädtische Gefälle, die Symbiose jeglicher Welten muss auf etwas verzichten. Auf interkulturelle Bevölkerung!

So kommt es, dass man hier zur Attraktion wird.
Und ich muss hier deutlich machen, dass ich mich auf die gängige Definition von „Attraktion“ beziehe. Um genauer zu sein, auf „Publikumsattraktion“ (Laut Def.: eine Besonderheit oder eine Person, die bei einer Veranstaltung eine besondere Leistung darbietet und damit beim Publikum besonderes Interesse hervorrufen kann.).
Es ist unfassbar, was man hier erlebt. Ich schlüpfe bei jedem Verlassen meiner Unterkunft, oder den Vierteln, denen meine Wenigkeit nun bekannt ist, in eine Rolle. In einen Charakter, der eine Hysterie auslöst. Ich lebe den Rockstar!

Neben verfolgt werden (typisches Stalking), angaffen, kreischen, winken, wild fotografieren gibt es hier unzählige Mischformen. Beispielsweise wollte ich eine Sonnenbrille in einem der bereits erwähnten, riesigen Einkaufscenter erwerben. Diese Aktion endete in einem gekoppelten „Zwei-Personen-Heiratsantrag“! Die Damen Verkäuferinnen, kamen nur langsam wieder zur Besinnung. Es ist unbeschreiblich. Man versucht anfänglich sich einfach zu verstecken. Man geht eher in die hinteren Ecken der Räumlichkeiten, in denen man sich aufhält. Aus der Heimat ist einem ja bekannt, dass man dann nicht auffällt. Pustekuchen! Man steht im Abseits und macht so das Abseits zum Zentrum. Verfolgungswahn ist wohl die Beste Umschreibung für das Gefühl das dann in einem aufkommt! Hätte nie gedacht, das einen so was Heim sucht.

Nach einiger Zeit verschwindet dieses Gefühl und man beginnt damit zu spielen. Nach dieser Phase kommt dann die Verdrängung. Man nimmt es einfach nicht mehr wahr. Dann ist man allerdings mit Asiaten unterwegs und die denken dann: Scheiße, was ist denn hier los und teilen einem dann mit, dass man von der ganzen Welt beobachtet wird und übersetzten einem am Besten noch was das Umfeld so über einen von sich lässt. Da ist er wieder, der Wahn, die Lust, die Verschmelzung von Exibitionismus, Menschenscheu und purer Manie.

Wie kann es sein, dass so was mit mir passiert?

Ganz einfach:
Bis dato habe ich in Taoyuan außer den Exchange Studis (inkl. mir) 2 "Weiße" gesehen!!!
Die Reaktionen sind deshalb dementsprechend!

Um das Ausmaß noch mal zu untermalen, eine weitere kleine Anekdote meines Lebens als „Beatle“ in Taiwan:
Management Class. Die Dozentin will nicht nur mit ihrem Vornamen (Vanessa) angesprochen werden, nein, sie ist das absolute Fashion-Victim! Pinkes Kleid, lackierte und mit Plastik-Brillianten besetzte Finger- und Fußnägel, schwarze Pumps, mega dick Kitt im Gesicht und, und, und. Nachdem die Dame dann über die hälfte der Vorlesungszeit (3 Stunden) damit verbrachte über sich und ihr Leben zu berichten!!! Sollten sich auch die Studenten vorstellen. Also wurde brav in Front des Auditoriums gedackelt und los erzählt. Als Fremder hat man da sowieso immer ein Thema und wird im Gegensatz zum typischen Asiaten nicht sooo dermaßen von seiner Scham verfolgt.
Während ich dann mitten in meiner Präsentation über mich stecke, werde ich auf einmal unterbrochen. Die Frau Dozentin fragt urplötzlich in die Runde: „Isn’t he looking like a moviestar?“. Direkt gefolgt von mehreren, die nun kreischende Menge junger Taiwanesinnen weiter anstachelnden Bemerkungen.
Hallo? Mit meinem europäischen Bild einer Dozentin und der damit verbundenen Distanz zum Student bin ich hier so was von gescheitert!
Dafür ist diese Vorlesung von nun an sehr gemütlich für mich. Man bekommt alle Infomaterialien per E-Mail zugesandt und wird während der Vorlesung von einigen Dutzend Asiatinnen mit Süßigkeiten versorgt. Es gibt also schlimmeres! ;-)

Der Kulturschock geht allerdings in die zweite Runde!
Die spinnen die Taiwanesen!!!

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Montag, 17. September 2007
DIE ERSTEN EINDRUECKE
Nach dem Verlassen des Airports, dem Sammeln der allerersten Eindrücke, kam der erste Schock. Es zeigte sich zunächst, das in Asien alles etwas anders läuft, als im durchorganisierten Deutschland. Zwar wurde ich nach einer längeren Phase des „Flughafenverlassens“ wie geplant von einer netten, jungen Dame mit einem großen, gelben Schild, welches meinen Namen und den Name der Universität in schwarzen Lettern wieder gab, erwartet, allerdings gab es in direktem Anschluss erste Ungereimtheiten. Als ich den Flughafen verließ und mich die Hitze wie ein Ambos traf, wurde mir die, zu diesem Zeitpunkt, bedeutendste aller Fragen gestellt. Leider muss ich hier sagen, hätte ich diese lieber beantwortet bekommen! Man fragte mich, wo ich denn jetzt hinwolle. Ich antwortete brav: ins Wohnheim, welches ja, wie vereinbart, mit mir rechnen würde. Allerdings intervenierte die nette Asiatin direkt meine, von Selbstverständlichkeit untermalte Antwort. „Welches Wohnheim?“, fragte sie mit einer erschreckenden Überraschtheit, das ich mich kurz selbst fragte, ob wirklich ein Wohnheim existierte, oder ob ich nun komplett vor die Hunde gegangen war. Mit zerbrechlicher Stimme formulierte ich: „Na, das Wohnheim der Uni.“ Daraufhin wurde heftig, nicht mit mir, sondern mit dem nun eingetroffenen Fahrer des Minibusses diskutiert. Richtig, auf Chinesisch! Von der Bullenhitze ging es nun also mit dem Minibus durch die Peripherie. Die Klimaanlage schien meinen Verstand völlig zu vernebeln. Die Kälte, die mir direkt ins Gesicht gepresst wurde, trug sicherlich zu großen Anteilen zu meiner, die nächsten Tage schmückenden, Erkältung bei. Die Landschaft und vor allem der Geruch ließen mich nun zum ersten Mal zweifeln. Hätte ich mich vielleicht doch etwas detaillierter mit diesem Land auseinander setzen sollen? Alles schien irgendwie heruntergekommen und aus einer Zeit deren Filmaufnahmen, heute betrachtet, eine starke Sepia-Charakteristik aufweisen. Ich versuchte Vergleichbares für diese Bilder zu finden, die mich hier beschäftigten. Das einzige, welches ich mit dem gesehenen in Verbindung zu bringen vermochte waren allerdings Fernehbilder aus dem Kosovo während des Krieges und eine Mischung aus Russisch/Nord-Koreanischen Militärparadenausschnitten. Summa summarum also ein höchst interessantes und für mich gleichermaßen deprimierendes Mosaik.

Als ich nun, es war ja immer noch früh morgens, nach längerer Fahrt durch vermeintliches Bürgerkriegsgebiet, am Campus ankam wurde mir klar, was hier gerade passierte. Man wollte mich auf das On-Campus-Wohnheim verfrachten. Dieses, so schoss mir meine Geistesgegenwart wieder direkt in den Kopf, war allerdings mit einer Art Fluch belastet. Zunächst war da die Tatsache, dass man ohne eigenes Bad und WC in einem Sechsmannzimmer untergebracht wurde. Allerdings war das nicht das eigentlich beängstigende. Man muss hier erwähnen, das ich das Wohnheim zu diesem Zeitpunkt noch nicht von innen gesehen hatte und somit auch keine Aussagen über die Facetten der Gerüche und Grausamkeiten des menschlichen Zusammenlebens auf engstem Raum machen konnte. Besser war es wohl, hätte ich doch sonst direkt die Fassung verloren. Entscheidend war der Fakt, dass dieses Wohnheim, aufgrund seiner Lage (On-Campus), ab 23 Uhr nicht mehr verlassen werden durfte und somit eine Art „Zapfenstreich“ galt. So bin ich sicherlich nicht abgeneigt, ab und an meine Wehrdienstzeit Revue passieren zu lassen, dennoch kam mir der Gedanke, ein neues Land via „Knastregeln“ kennen zu lernen dann doch etwas absurd vor! Ich zog also mein Ass aus dem Ärmel. Als von drei Personen auf mich eingeredet wurde, ich solle das Wohnheim doch erstmal betreten und „testen“, was auch immer das bedeuten mochte, fragte ich also geschickt nach einem weiteren Deutschen, der schon am 5. September angekommen war. Schnell fand ich seinen Namen auf der Liste. Und wer hätte das gedacht, mein Plan ging auf. Er war im Off-Campus-Wohnheim untergebracht. Da müsse ich jetzt auch hin, machte ich den um mich versammelten klar. Schließlich erwarte man mich. Ich war ja um 10 Uhr zum Frühstück verabredet.

Ich traf nun, relativ erfreut, in dem „besseren“ Wohnheim ein. Dort gab es nicht nur Zweimannzimmer mit eigenen Dusch-Klos (eine wunderbare Erfindung, bei dem eine Toilette mit den Ausmaßen eines typischen Gästeklos zusätzlich zur Standart Wassergarnitur noch einen Duschkopf erhält), sondern auch den, ultimativ wichtigen, verzicht auf die Ausgangssperre. Ich war schon fast begeistert von dem leicht schäbigen Gebäude. Doch der gerade erst verdaute Schock sollte aufgefrischt werden! Das Wohnheim sei voll. Hier könne ich nicht bleiben wurde mir, zusammen mit der mir bereits vertrauten Ansage, dass das On-Campus-Dorm doch ganz toll sei, vor den Latz gehauen. Ich muss ziemlich blass geworden sein, da mir umgehend eine Sitzgelegenheit angeboten wurde. Das saß!
Nach kurzer Erholung ging ich unmissverständlich in die zweite Runde, da mir auch gesagt wurde, dass eine neue Reglung, von welcher ich natürlich nichts wusste, besage, dass Austauschstudenten im On-Campus-Dorm unterzubringen seien. Der Fakt, das Toni, der andere Deutsche, aber hier war, kam mir gelegen um zu behaupten, dass das ja nicht ganz stimmen könne und ich ja von der Uni eine Zusage für ein solches Zimmer hätte. Nun wechselte man wieder ins Chinesische. Meine Gedanken kamen zum stehen. Wie sollte ich da wieder raus kommen? Zunächst wurde Toni telefonisch von meiner Ankunft benachrichtigt. Nach einiger Zeit kam er verschlafen angestiefelt. Sein Anblick, der etwas von einem verpeilten Innenleben verriet, konnte mich nicht davon abhalten dieser Begegnung pure Begeisterung und Freude beizusteuern. Doch konnte er, wie befürchtet, auch nicht mit einem „Masterplan“ auftrumpfen. Also wollte ich Zeit gewinnen und sagte, dass ich vielleicht bei Tine unterkommen könne, die ja eine eigene Wohnung bezogen hatte. Sie traf nämlich wirklich erst gegen 10 Uhr ein. Ich besprach mit der Asiatin, welche mich abgeholt hatte, sie solle dem „Herbergsvater“ mal klar machen, das ich hier wohl bleiben werde. Sie kam meinem Wunsch nach, allerdings zeigte sich besagter Mann relativ unbeeindruckt. Zu meinem Glück trafen dann drei Polen ein. Diese waren am Vortag eingetroffen und hatten bereits eine Nacht im „Horrorwohnheim“ hinter sich gebracht. Nun witterte ich die Chance. Ich belaberte den Supervisor des Dorms, dass ich jetzt zwei Zimmer bräuchte, da die Polen jetzt da wären und wir dann ja zu viert seien. Er war erst etwas verdutzt, doch schien ihm das dann irgendwie logisch zu erscheinen. Kurze Zeit später waren unsere Verträge fertig und wir konnten die Zimmer beziehen.

Nun hieß es noch Putzen. Ich verbrachte Stunden mit dem Reinigen eines 20 Quadratmeter Raumes. Unfassbar, was sich da auftat. Ich war mir mehr als einmal sicher, Stellen gefunden zu haben, welche seit der Existenz der Räumlichkeiten nicht einmal gereinigt worden seien. Das Gebäude ist, der Architektur nach, den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zuzurechnen.

Schlussendlich war ich allerdings glücklich einfach irgendwo zu sein. Ich hatte also mein „Dach“ für Taiwan gefunden.

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Donnerstag, 13. September 2007
Why blog this Stories?
Ich, der Deutsche in Taiwan, möchte nun auch der reizvollen Möglichkeit des öffentlichen Kund tuns von Erlebnissen privater Art frönen. Dies, wer hätte das gedacht, begründet sich vordergründig mit der Idee, auf ständiges "Mails-an-alle-schreiben" zu verzichten.

Auch glaube ich, ist es eine interessante Möglichkeit ein Land von einer total differenten Seite kennen zulernen.

Ich bin am 09.09.2007 um 06:25 Uhr in Taiwan gelandet.
Dort, am Taiwan Taoyuen International Airport, erroch, erfühlte, spürte ich kurze Zeit später Taiwan, ja Asien, das erste Mal. Aber erst am 11. September, also am dritten Tag beschloss ich diese Erlebnisse zu verewigen. Die Begründung findet sich auf youtube.com. Ein Werbefilm der Republic of Taiwan. Dieser verherrlicht dieses Land in einer Art und Weise, die eigentlich Institutionen zur Schaffung für propagandistisches Material vorenthalten ist. Aber genug der indirekten Wertungen.
Allerdings erscheint es Sinnvoll dem Leser zumindest nahezulegen, sich erst besagtem Film zu widmen, bevor er sich hier weiter der, sagen wir zunächst provokativ, Gegendarstellung annimmt.

Also los und "Ni hau, Taiwan!"

http://youtube.com/watch?v=sIBshbaha9U

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